„Wie wichtig ist Talent in ihrem Sport“, so die Frage des Trainers einer Fussballmannschaft vor einigen Tagen. Immer öfters suchen nicht nur Firmen den Kontakt zu mir als Apnoetaucher, sondern auch Sportler, Trainer und Vereine um in interdisziplinären Workshops über den Tellerrand des eigenen Sports hinauszublicken und von den Erfahrungen aus einem anderen Bereich zu profitieren. Ich entgegne, dass ein gutes Wassergefühl und ein Wohlbefinden im Wasser sicherlich förderlich sei, Talent aber mit Sicherheit nicht entscheidend wäre.
Ich bin seit über 20 Jahren Apnoetaucher und seit acht Jahren mache ich nichts anderes mehr, als Menschen das Tauchen mit nur einem Atemzug näher zu bringen. Ich habe gesehen, wie sich der Sport während dieser Zeit von einem Wettkampforientierten – hin zu einem Lifestyle-Sport entwickelt hat. Und doch begegne ich immer noch Ressentiments gegenüber meinem Sport. „Zu alt, nicht mehr fit genug, zu kleine Lunge“ und vieles mehr scheinen Leute davon abzuhalten Apnoe tauchen zu lernen. Mit Relaqua habe ich ein Programm erschaffen, welches den ersten Schritt zum Apnoetauchen erleichtert – das Erlebnis „Atempause“ ganz ohne Leistungsgedanken, denn ….
Der Bloodshift ist ein Effekt des Tauchreflexes und sorgt dafür, dass Sauerstoff eingespart wird und auch bei längeren Apnoephasen keine Gefahr für das Gehirn besteht.
„Nur wer entspannt ist, kann auch Leistung bringen“.
Nik Linder
Das erfüllende bei einem Apnoe oder Relaqua Kurs ist, dass die Entspannung die Grundlage für jedes Tun ist. Apnoetauchen ohne Entspannung ist unvorstellbar und daher ist die körperliche und geistige Entspannung ein wesentlicher Teil eines Apnoekurses. „Nur wer entspannt ist, kann auch Leistung bringen“. Bei Relaqua hingegen steht nicht die Leistung, sondern die Entspannung im Vordergrund. Im Wasser ist die Entspannung leichter zu erleben, da hier der Tauchreflex wirkt. Legen wir das Gesicht ins Wasser, dann verlangsamt sich der Herzschlag, die Lebenswichtigen Organe, wie Gehirn und Lunge wird verbessert durchblutet und die Milz entlässt vermehrt rote Blutkörperchen. Dazu kommt die Reduktion der Sinne wie das Sehen und Hören. Über Auge und Gehör erreicht unser Gehirn seht viel Informationen die es verarbeiten muss. Dabei verbraucht es sehr viel Sauerstoff und je weniger „es denkt“ desto mehr O2 steht für eine längere Atempause unter Wasser zur Verfügung.
Die Bauchatmung simuliert eine Atmung, die der des Schlafes entspricht, wir beruhigen uns sofort. Der Mensch ist das einzige Lebewesen das zwischen der normalen, durch das Atemzentrum gesteuerten Atmung, auf eine bewusste Atmung wechseln kann. Sehr wenige Menschen schöpfen dieses Potential wirklich aus.
Obwohl ich heute ebenso viel Zeit mit dem unterrichten von Atemübungen verbringe bin ich mir des Widerspruchs durchaus bewusst „Warum sollte man von einem Apnoetaucher etwas zur Atmung lernen ?“. Wer vor dem Abtauchen nur einmal tief Luft holt, versucht soviel wie möglich aus diesem Atemzug zu machen. Apnoetaucher sind sehr gut darin eine große Vitalkapazität aus der totalen Lungenkapazität zu schöpfen. Nicht die Größe der Lunge ist also entscheidend, sondern wie effektiv ich diese nutzen kann. Es ist aber nicht nur ein mehr an Lungenpotential, es geht auch darum die Atmung einzusetzen um tiefer zu entspannen. Wer ruhiger und langsamer atmet senkt den Puls. Ein Apnoetaucher beherrscht die Gratwanderung zwischen entspannter Atmung und optimaler Sauerstoffversorgung.
Zwar ist die Atmung der wichtigste Schlüssel zur Entspannung, es werden aber viele weitere Entspannungstechniken unter anderem aus Yoga, autogenem Training, Achtsamkeitsmeditation, sowie der progressiven Muskelentspannung praktiziert. Ein Apnoetraining findet nicht nur im Wasser, sondern auch auf der Yogamatte statt. Auch Entspannung ist eine Fertigkeit die trainiert werden will um dadurch das Grundsetting für erfüllende Erlebnisse unter Wasser zu gewährleisten.
Immer weniger Apnoetaucher zieht es wirklich in die Tiefe. Sehr viel häufiger geben sie an, dass sie das Naturerlebnis suchen. Entspannte Ausflüge in denen sie durch das Riff fliegen und die Leichtigkeit des Seins genießen. Freitauchen bedeutet auch frei von schwerer Ausrüstung und beinhaltet die unkomplizierte und spontane Möglichkeit ein Gewässer zu entdecken, auch wenn gerade keine Tauchschule zur Verfügung steht. Oberflächenpausen um Stickstoff los zu werden, spielen beim entspannten Unterwasserspaziergang am Hausriff keine Rolle. Gerade im neutralen Tarierungsbereich in Tiefen bis zehn Meter ist die Fülle von Farben der Tier und Pflanzenwelt besonders beeindruckend. Ohne Tauchgerät auf dem Rücken genießt man die Wendigkeit um auch mal auf dem Rücken schwebend die Perspektive zu wechseln und die Sonne durch die Wasseroberfläche brechen zu sehen. Die Ruhe durch die fehlenden Atemgeräusche führt zu intensiven Erlebnissen gerade mit den großen Tieren der Meere. Wale, Delfine und viele andere Tiere sind geräuschempfindlich und dulden Freitaucher lieber in ihrer Nähe als Gerätetaucher.
„Das Erlebnis einem Wal ins Auge zu blicken kann kurz sein um trotzdem lange nachwirken zu können.„
Nik Linder
Viele Teilnehmer eines Apnoekurses haben diese Schwellenangst „ich kann doch gar nicht lange die Luft anhalten, was soll ich in einem Apnoekurs“. Mit dieser Logik würde man weder tanzen, Autofahren noch einen Beruf erlernen. Zu was wir und unser Körper im Stande sind erfahren wir durch die Anleitung eines ausgebildeten Instructor. Mit dem Wissen, was im Körper passiert und wie man den Tauchreflex weckt, wie man die Atmung gezielt einsetzt und wie man Entspannungstechniken nutzt um ruhiger zu werden, das alles ist Teil der Einweisung. Das Ergebnis ist fast immer atemberaubend, „ich hätte nie gedacht, dass ich gerade so lange die Luft angehalten habe und es hat sich sogar entspannt angefühlt“. Dieses Feedback bekommen wir in jedem Kurs und es ist sicher eines der Erfolgsgeheimnisse, dass beim Apnoetauchen früher Erfolgserlebnisse und schnelle Fortschritte dazu führen den Taucher zu motivieren. Wer entspannt ist kann länger die Luft anhalten, weil der niedrige Puls weniger Energie und damit Sauerstoff verbraucht. Wer länger die Luft anhält, kann in dieser Zeit auch mehr Zeit unter Wasser verbringen um zum Beispiel mit Walen und Delfinen zu interagieren.
Im Apnoekurs lernt man aber nicht nur lange die Luft anzuhalten, sondern effizient mit dem letzten Atemzug umzugehen. Nur mit einer sauberen Technik können wir energiesparend abtauchen um so weniger Sauerstoff zu verbrauchen. Eine hydrodynamische und entspannte Körperhaltung, sowie ein effizienter Flossenschlag sorgen dafür einerseits gut voran zu kommen und andererseits möglichst kraftsparend unterwegs zu sein.
Nicht zuletzt spielt auch unser Kopf eine wichtige Rolle. Für einen Beginner ist es ungewohnt einen Atemreiz zu spüren. Obgleich wir, auch aufgrund des Tauchreflexes, sehr gut mit Sauerstoff versorgt sind, kommen ab einer gewissen Apnoezeit Atemreize, das Zwerchfell kontrahiert – das Atemzentrum meldet „ich hätte gerne Luft“. Das liegt daran, dass unsere Atemsteuerung nicht über den O2 Spiegel, sondern den Co2 Spiegel funktioniert. Wer wie wir Apnoetaucher nicht atmet, der atmet auch das Co2 nicht ab, was zu Atemreizen führt. Mit diesen kommt das Kopfkino und ein innerer Kritiker der uns fortwährend vor dieser Situation bewahren möchte „heute ist nicht dein Tag, das ist unangenehm, das ist gefährlich, das macht kein Sinn“ und vieles mehr. Begibt man sich in diese Phase des Apnoetauchens, dann trainiert man seine Resilienz, die psychische Widerstandskraft um schwierige Situationen zu überstehen. Gerade in herausfordernden Situationen ist die Lenkung der Aufmerksamkeit weg vom Stress auslösenden Erlebnis und den damit verbundenen negativen Gedanken ein erfolgreicher Weg. Die Aufmerksamkeit kann dann mithilfe des Bodyscan aus der Achtsamkeitsmeditation auf die stückweise Entspannung des Körpers gelenkt werden. Dabei gilt das Motto „Denken musst du sowieso dann denk an was entspannendes“. Automatisches und negatives Denken gilt es beim Apnoetauchen zu vermeiden, denn eine richtige Entspannung ist nur dann möglich, wenn sie Körper UND Geist beinhaltet. Funktioniert die Aufmerksamkeitslenkung nicht, dann sind im Spitzensport Selftalks sehr erfolgreich. Hierbei spricht man instruierend und motivierend mit sich selbst „komm da geht noch was“, „bleib ruhig – du machst das toll“.
Ich habe vor über 20 Jahren mit dem Apnoetauchen begonnen. Mit Atem-,Meditations- und Entspannungstechniken habe ich mich nur beschäftigt, weil es der Weg war um erfolgreicher Apnoe zu tauchen. Wer auf den Punkt entspannen kann, der nutzt diese Fähigkeiten bewusst und unbewusst auch im Alltag. Herausfordernde Situation und stressige Zeiten lassen sich mit den erlernten Fähigkeiten viel besser meistern, was zu mehr Ruhe und Ausgeglichenheit führt. Folgen Sie meinem Beispiel und schenken sich selbst eine Atempause.
Autor und Trainer in der Keidel Therme: Nikolay „Nik“ Linder
Nik Linder gilt als der bekannteste Apnoetaucher im deutschsprachigen Raum. In seiner Karriere blickt er auf zahlreiche Weltrekord zurück. Vor allem seine Weltrekorde im Streckentauchen unter Eis, gelten als die spektakulärsten und extremsten Rekorde im Apnoesport. Das Apnoetauchen unter einer geschlossenen Eisdecke ist abgesehen von der körperlichen Beanspruchung, durch das nur zwei Grad kalte Wasser in höher gelegenen Bergseen, vor allem auch eine mentale Herausforderung.
Heute ist Nik vor allem Apnoeausbilder, Autor von Büchern und hält Vorträge zum Thema „Apnoetauchen“, „Atemtechniken“ und „Stressmanagement“. Er hat sein eigene Entspannungsmethode „Relaqua“ entwickelt, die er in vielen Kursen und Workshops weitergibt.
Kurse mit Nik in der Keidel Therme :
EISBADEN & HOLISTIC BREATHWORK